Der internationale Flughafen.
Es gibt keinen besseren Ort auf der Welt, um deine eigene Art zu beobachten. Ein bisschen wie im Zoo. Spezies aus der ganzen Welt finden sich eingepfercht auf relativ kleinem Raum, beobachten die echte Welt durch dickes Glas, überleben durch eine begrenzte Auswahl an Essen und laufen im Kreis, während sie von zu Hause träumen.
Als ich von meinem letzten Trip zurück kam, hatte ich vierzehn Stunden Zwischenstopp am internationalen Flughafen von Abu Dhabi, zusammen mit einer Flugzeugladung Deutscher. Und weil ich nun mal nicht einfach dreimal die Hacken zusammen schlagen konnte, um nach Hause zu kommen, wurde ich kurzerhand zum Soziologen und beobachtete meine eigene Sorte beim…“sein“.
Das ist mir aufgefallen:
Wenn du Deutsch bist, kennst du den unbekannten Flughafen innerhalb von Minuten. Du hast deine Hausaufgaben gemacht und kennst den Weg zu deinem Terminal, deinem Gate, Mac Donalds, Starbucks, den Toiletten… alles.
Wenn du Deutsch bist, hast du einen merkwürdigen Klamottengeschmack und liebst zum Beispiel Hosen mit abtrennbaren Beinen und – wenn als Pärchen unterwegs – trägst du Partnerlook, gerne in Beige.
Wenn du Deutsch bist, wartest du still und leise. Wir Deutschen nehmen Rücksicht. Wir wollen niemanden nerven. ABER: Bitte nervt uns auch nicht und seid halt still, sonst geben wir euch „den Blick.“
Wenn du Deutsch bist, wartest du an deinem Gate nicht nur pünktlich, sondern mindestens fünfzehn Minuten bevor das Gate überhaupt geöffnet wird, damit du als erster an Bord bist. Aber – Gott bewahre! – sollte sich jemand vordrängeln! Das ist der Moment, wo du tatsächlich das Schweigen brechen und etwas sagen wirst.
Wenn du Deutsch bist, redest du über deine Urlaubsdestination, als wärst du ein Einheimischer, dabei weißt du selbst, dass du eigentlich nichts weißt.
Wenn du Deutsch bist, neigst du dazu, dir nicht die Achseln zu rasieren.
Wenn du Deutsch bist, schüttelst du ungläubig den Kopf, wenn du andere Deutsche siehst, die sich genauso verhalten wie du.
Nun ist mir klar, dass sich einige (wenn nicht die meisten) dieser Notizen wie typische Vorurteile anhören. Und ich studierte dieses Verhalten mit einem Mix an Gefühlen:
50 % waren Belustigung.
30 % waren Verlegenheit.
Die restlichen 20 % führten zu diesem Artikel. Und sie waren ein Haufen Fragen.
Ich musste mich selbst unter die Lupe nehmen: Bin das ich? Kann man mir ansehen, dass ich Deutsch bin? Tue ich Dinge, die typisch sind für mein Land? Und wenn ja – ist das schlimm? Oder sollte ich stolz drauf sein?
Und jetzt bist du dran: Wie denkst du über deine Nationalität? Bist stolz drauf? Was sind weitere typische Vorurteile? Und wo kommen die überhaupt her?
Ich freue mich auf deine Meinung in den Kommentaren unten drunter!
interessanter post… ich glaube jedem ging es schon mal so, dass man sich für seine landsleute einfach nur schämen konnte. aber gott sei dank gibt es ja auch genug andere deutsche auf reisen, die das bild dann wieder korrigieren. und das mit den handtüchern machen mittlerweile doch alle - auch wenn wirs natürlich erfunden haben
ich selbst sehe mich aber sowieso eher als “europäisch”…
toller blog übrigens… weiter so!!
lg!
tanja
Danke für dein Kommentar, Tanja. Ich hab auch immer gedacht, ich sei europäisch. Nachdem ich letztes Jahr aber für ein halbes Jahr durch Europa gereist bin, erkenne ich aber auch immer mehr das Deutsche in mir und finde das auch gar nicht schlimm. Pünktlich sein hat ja auch was Gutes… also, natürlich nur dann, wenn die anderen mitspielen
Freut mich zu hören, dass es dir hier gefällt!
Liebe Grüße,
Gesa
i used to work on majorca, spain..THE holiday destination for germans and british tourists! i think compared to the british the germans are rather harmless. they are more likely to complain, but the brits are the ones who make most of the noise!
cheers, john(a brit)
Hi John, thanks for commenting! I always thought Majorca was entirely German territory… looks like I was wrong
Ich bin da zwiegespalten. Ich glaube, ein paar (vermeintlich) typisch deutsche Tugenden habe ich schon und ich finde sie auch nicht schlecht. Andererseits bin ich jemand, der sich schnell fremdschämt und das auch gerne im Urlaub, wenn ich Deutsche bei (vermeintlich) typisch deutschem Verhalten beobachte.
Vielleicht ist es einfach am wichtigsten zu wissen, dass man eben bestimmte Angewohnheiten oder Verhaltensweisen hat (ob deutsch oder nicht) und flexible genug zu sein, diese in anderen Ländern ein bisschen anzupassen.
Sehr schön!
Ich hab da ganz bequeme Position, ich bin halb/halb und kann mich bei jeder Gewohnheit aufs Neue für eine Seite entscheiden
Als Amerikaner, der viele Jahre in Deutschland verbracht hat, musste ich deiner Liste schon rechtgeben. Mir gefällt es aber, wenn ein Deutscher mich damit überraschen kann, dass er deutsch ist. Irgendwie machen Kleider und Frisör dabei den Eindruck, dass auf der anderen Seite jenes roten Reisepasses “Bundesrepublik Deutschland” steht. Jedenfalls sind mir die “typisch Deutschen” auf der Reise immer interessant und amüsant.
Dazu muss ich sagen - wir Amis machen es der Welt recht leicht, uns zu identifizieren. Besonders wenn wir im Urlaub sind. Da sind wir meistens im Trainingsanzug oder einer Shorts unterwegs. Definitiv tragen wir Flip-Flips, wenn es nicht grad -10 ist. Wir reden laut miteinander und noch lauter am Handy. Wir bemühen uns nicht, die informationsreiche Schilder zu lesen, weil wir lieber weltweit einen Mitarbeiter vorm Gate auf zu schnelles Englisch ansprechen könnten. Wenn so ein “typischer” Amerikaner am Flughafen auftaucht, verstecken meine Frau (auch Amerikanerin) und ich die blauen Reisepässe - auf einmal sprechen wir leiser und nur auf Deutsch, denn wir wollen nicht, dass die Anderen uns mit dem rasenden Amerikaner an der Theke eingruppieren…
Hi Simon, vielen Dank für dein Kommentar und deine interessanten Einblicke in die Psyche eines (manchmal heimlichen) Amerikaners
Ich gebe zu, dass auch mir die Amis manchmal negativ auffallen. Wie praktisch aber, dass du dich hinter (perfekten!) Deutschkenntnissen verstecken kannst.
Liebe Grüße,
Gesa