IMG_2063 Kopie

Das Ende der Liebe.

Letztes Jahr stieß ich auf ein Buch, dessen Titel mich so verstört hat, dass ich es einfach kaufen musste.„Das Ende der Liebe – Gefühle im Zeitalter unendlicher Freiheit“von Sven Hillenkamp. Kurz gesagt: Es hat mich wütend gemacht. Hillenkamp sagt, die Liebe sei unmöglich geworden, weil wir alle stets auf der Suche nach etwas Besserem sind. Wir lieben einander nur noch vorläufig, wir lieben nur noch bis zur nächsten Ecke, hinter der schon ein interessanterer Partner warten könnte. Die Unendlichkeit unserer Möglichkeiten ist Schuld daran, dass wir uns nicht mehr auf nur einen einzigen Menschen festlegen können – oder wollen. Ich habe das Buch weggeworfen, bin auf Reisen gegangen und habe nicht weiter drüber nachgedacht. Bis heute. Ein Jahr und sechs Länder später glaube ich zu begreifen, was Hillenkamp mir sagen wollte – und ich habe Angst, dass er Recht haben könnte.

Ich bin eine Romantikerin. Und dabei denke ich nicht an ein romantisches Dinner bei Kerzenschein oder kitschige Liebesfilme oder Rosen zum Valentinstag (… und das ist immerhin mein Geburtstag!) Nein, ich denke an eine einfache und ehrliche Liebe. Ich denke daran, dass zwei Menschen den Rest ihres Lebens gemeinsam verbringen und damit nicht nur zufrieden, sondern glücklich sind. Ich glaube daran, dass da draußen irgendwo der eine Mensch ist, der auf mich wartet, genauso wie ich auf ihn warte. Und ich will heute ein Geheimnis verraten:Dieser Mensch ist der Grund, warum ich überhaupt auf Reisen gegangen bin. Ich konnte zu Hause die Füße nicht still halten und wollte nicht nur da sitzen und warten. Ich wollte losziehen und ihn suchen. Und ich fand ihn. Mehrmals. Doch jedes Mal war entweder er oder ich nicht gut genug. Und damit gehöre ich wohl genau zu der Gruppe, die Hillenkamp beschreibt.

Unterwegs habe ich viele Menschen getroffen und viele haben mir ihre Geschichten erzählt. Meist waren es Geschichten über Liebe – oder besser gesagt: der Suche nach Liebe. Entweder sie liebten den einen Menschen, den sie nicht haben konnten oder aber sie liebten zu viele auf einmal. Am Ende lief es aber auf dasselbe hinaus: Wir alle halten uns jede Möglichkeit offen, wir bleiben frei, wir warten. Warten auf den einen Menschen, der nur für uns gebacken wurde. In unserem Kopf existiert er bereits. Aus vergangenen Beziehungen, aus Filmen und Büchern haben wir das beste herausgepickt, uns ein perfektes Bild von unserem Traumpartner zusammengebastelt - und wir lieben dieses Bild! Wir lieben es mehr, als wir je einen anderen Menschen lieben könnten. Und niemand da draußen wird je im Stande sein, uns so zu lieben, wie der perfekte Partner in unserer Fantasie. Nicht zuletzt lieben wir deshalb wohl uns selbst. Das ist die gute Nachricht.

Aber was machen wir jetzt daraus, Herr Hillenkamp? Ich für meinen Teil bin gelangweilt. Ich bin gelangweilt von den flüchtigen Begegnungen, die immer nur so lange anhalten wie der jeweils andere dem perfekten Bild im Kopf entspricht. Ich bin gelangweilt von der Oberflächlichkeit und den Spielen, die wir spielen, um uns bloß nicht zu nahe zu kommen. Ich bin gelangweilt von der Suche nach Liebe. Ich will daran glauben, dass sie da draußen ist. Aber gleichzeitig ist da dieses wunderschöne Bild in meinem Kopf, das ich einfach nicht vergessen kann und in das ich mich mit jedem neuen Tag ein bisschen mehr verliebe…

Mir fällt ein Zitat von Iris Murdoch ein, das wohl am Besten beschreibt, was wir vergessen haben:

“Love is the extremely difficult realization that something other than oneself is real.”

 

_12stamp

...Willst du ganz geheime Reise-Geschichten direkt in dein Postfach bekommen?

   

Gesa Neitzel

Hallo! Schön, dass du da bist. Ich bin Gesa aus Berlin und mir gehört der Laden hier. Eigentlich Fernsehredakteurin aber viel lieber unterwegs, erzähle ich von meinen Reisen um die Welt und immer auch ein Stück mehr zu mir selbst.

  1. Zunächst vielen Dank für die offenen Worte. Da ich zu dem Thema demnächst eine Geschichte veröffentlichen werde, sprachen mich Deine Zeilen im Besonderen an. Ich denke, dass der Wunsch nach dem „perfekten“ Partner wirklich so ausgeprägt ist wie nie zuvor. Doch ich bin überzeugt, dass es diesen perfekten Partner nicht gibt und er ansonsten schrecklich langweilig wäre. Schließlich machen doch auch oder besonders die Schwächen einen Menschen liebenswert. Aber es gibt sicher mehr als eine Person, mit denen man alt werde könnte – Du beschreibst ja auch, dass Du mehrfach Jemanden begegnet bist, der Deinen Vorstellungen nahe kam. Diese Menschen hast Du aber wohl eher nicht mit Deinem „Profil“ verglichen, sondern mit Deinem Herz erkannt, oder? Natürlich sind diese unendlichen Möglichkeiten Segen und Fluch zugleich, weil sie einen gierig machen können. Hinzu kommt das Schönheitsideal, das wie Du schreibst durch die Medien geprägt ist. Aber ich bin überzeugt, dass man sich davon frei machen kann. Ich will nicht behaupten, dass ich keine Bilder im Kopf hätte, aber gerade die Oberflächlichkeit weiter Teile der westlichen Konsumwelt hat mich damals in die Fremde getrieben. Und wird es wieder tun.
    Auch ich habe mich damals auf den Weg gemacht, um nach Liebe zu suchen – mehr aber noch nach Essenz, nach der verlorengegangen Neugier, Genuss und Lebenslust. Ich wollte einem Leben entfliehen, in dem allem ein konkreter Wert beigemessen wird – aber wie sollte das mit der Kunst oder der Liebe funktionieren? Kosten-Nutzen-Rechnungen (um es etwas zu überspitzen), töten sie. Ich teile die Vorstellung von Romantik, aber ich habe keine konkrete Vorstellung von einem Partner – an Ehrlichkeit, Mitgefühl und Sensibilität führt aber kein Weg vorbei. Alles andere weiß man Herz und mein Kopf wird ewig scheitern, das zu übersetzen…
    Nun, man sagt je mehr man sucht, desto schwerer finde man. Wenn ich die Momente Revue passieren lasse, in denen ich mein Herz verschenkt habe, dann waren es immer Phasen, in denen ich ohnehin schon sehr nahe bei mir war, glücklich oder zumindest zufrieden aus mir selbst heraus und fähig, mich wirklich in jemanden hinein zu fühlen und aus mir herausgehen zu können – im wahrsten Sinne des Wortes. Diese Bereitschaft ist alles, was man braucht.
    Nichts gegen Selbstliebe – sie ist sicher Voraussetzung um überhaupt jemanden anderen lieben zu können – aber Individualität um jeden Preis ist ein Fluch. Überwindet man diese Oberflächlichkeit der flüchtigen Begegnungen, stellt man fest wie viele Menschen in diesem Denken gefangen sind und wie verflucht schmerzhaft es sein kann, sich einzulassen und alles zu geben, was man hat. Ohne Bedingungen. An dieser Bedingungslosigkeit ich immer wieder gescheitert. Doch zu Oberflächlichkeit war ich nie fähig. Und egal, wie oft mein Herz noch brechen mag - alles andere als tiefe Gefühle würde für mich bedeuten, nicht zu leben. Das Zitat finde sehr schön und erzählt von der eigenen Selbstüberschreitung. Dazu passt für mich dieser Aspekte-Beitrag:

    https://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/1780996/aspekte-Beitrag:-Philosophie-Star-Han#/beitrag/video/1780996/aspekte-Beitrag-Philosophie-Star-Han

    Ich bin überzeugt, dass die Liebe, das einzige ist, dass die Wunden der Welt heilen und zugleich nie perfekt sein kann. „Fang die Liebe ein und sie kommt nie mehr geflogen“ (Max Herre). Liebe Grüße und auf die Liebe, der wir alle bedürfen, um zu leben…

  2. markus sagt:

    wie wunderbar!

    “was den glauben betrifft, so vermag ich alles zu glauben, vorausgesetzt, dass es ganz und gar unglaublich ist.” -Oscar Wilde

  3. alle menschen sind meere. in sie einzutauchen heißt ein stück von sich selber zu ertränken

    (durchtränkt von einander tauchen wir alle paar jahre auf - schnappen
    schlingend nach luft eine welle noch
    eine welle…
    rufen wir uns selber zu)

... Ich möchte auch was dazu sagen:

Hierlang für noch mehr Abenteuer!schliessen
oeffnen